Kaum aus den Klauen einer Jahrhundertpandemie entkommen, sind wir mit der Rückkehr des Kriegs auf europäischen Boden konfrontiert und die sich vor unseren Augen abspielende Klimakrise stellt uns vor bisher unbekannte Zielkonflikte. Diesen Situationen ist Unbestimmtheit, Mehrdeutigkeit und Nichtstationarität gemein, weshalb Entscheidungen nicht oder nicht nur auf der Basis von algorithmisch-quantitativen Modellen getroffen werden können. Wenn Mathematik allein nicht ausreicht, was macht dann eine gute Entscheidung aus? Und wie entscheiden eigentlich Menschen aus Fleisch und Blut?
Um diesen beiden Fragen auf den Grund zu gehen, werden wir uns sowohl mit den Ursprüngen und der Geschichte der Entscheidungstheorie als auch mit neueren Befunden aus Psychologie und Neurowissenschaften auseinandersetzen. Die verschiedenen Perspektiven sollen eine kritische Reflexion etablierter Denkmuster und Menschenbilder ermöglichen. Diese Diskussion ist keine rein akademische, sondern hat Konsequenzen für Politik und Gesellschaft: Wenn wir von Natur aus systematisch irrational denken und handeln, lassen sich damit potenziell tiefgreifende Eingriffe in unser Leben rechtfertigen. Die Lesegruppe soll aber auch einen individuellen Mehrwert bieten: Indem wir unsere Köpfe zusammenstecken, schaffen wir es vielleicht, einige der ca. 35’000 Entscheidungen, die wir täglich treffen, zu verbessern.
Vorgeschlagene und vorübergehende Themengebiete und Literatur
Einführung in das Thema
Taleb, N.T. (2007). The black swan: The impact of the highly improbable. Random House. (Prologue).
Entscheidungen unter Risiko
Pinker, S. (2021). Rationality: What it is, why it seems scarce, why it matters. Viking. (Chapter 6).
Kahneman, D. (2011). Thinking, fast and slow. Farrar, Straus and Giroux. (Chapters 25-26).
Weiterführende Literatur
Bernoulli, D. (1954). Exposition of a new theory on the measurement of risk. Econometrica, 22(1), 23-36. https://doi.org/10.2307/1909829
Entscheidungen unter Unsicherheit
Kay, J., & King, M. (2020). Radical uncertainty: Decision-making for an unknowable future. The Bridge Street Press. (Chapters 4, 6-7).
Weiterführende Literatur
Camerer, C., & Weber, M. (1992). Recent developments in modeling preferences: Uncertainty and ambiguity. Journal of Risk and Uncertainty, 5(4), 325-370. https://doi.org/10.1007/BF00122575
Neurowissenschaftliche und psychologische Befunde
Sapolsky, R. M. (2017). Behave: The biology of humans at our best and worst. Penguin. (Chapter 2).
Glimcher, P. W., & Fehr, E. (Eds.). (2013). Neuroeconomics: Decision making and the brain (2nd ed.). Academic Press. (Chapters 9 & 13).
Weiterführende Literatur
Tobler, P. N., Fiorillo, C. D., & Schultz, W. (2005). Adaptive coding of reward value by dopamine neurons. Science, 307(5715), 1642-1645. https://doi.org/10.1126/science.1105370
Organisation: Felix Mao
Koordination: Stefano Aloise
Administration: Michelle Hug
Treffen: Alle zwei bis drei Wochen, wobei es nicht nötig ist, an allen Sitzungen teilzunehmen, da die Themenblöcke in sich geschlossen sind.
Sprache: die Literatur ist zu Teilen nur auf Englisch verfügbar. Die Sitzungen werden je nach Bedarf und Präferenz auf Deutsch oder Englisch durchgeführt.
Treffpunkt: Online. Das letzte Treffen findet nach Möglichkeit und Nachfrage physisch in Zürich oder St. Gallen statt.
Teilnehmende: Ca. zehn Studierende der Ökonomik, Psychologie, Neurowissenschaften, Statistik und Biologie sowie Interessierte aller anderen Fachrichtungen