Viele beklagen eine wachsende Beschleunigung unseres Lebensrhythmus. Wir wollen immer mehr und dies immer schneller. Unser Tempo und unsere Begehrlichkeiten seien verantwortlich für eine Vielfalt neuer Risiken. Ob das so stimmt? Jedenfalls haben sich in den letzten Jahren Bewegungen formiert, in denen das kritisiert wird. Eine „Alltagskultur der Langsamkeit“ wird dagegen aufgeboten. Slow Food lautet der exemplarische Slogan einer internationalen Organisation im Bereich des Umgangs mit Lebensmitteln.
Einige Autoren/innen glauben, das Hauptproblem bestehe in der Art und Weise, wie wir ganz generell die Zeit, auch unsere eigene Lebenszeit, wahrnehmen und mit ihr umgehen. Im Bereich der Ökologie und Materialwissenschaften gibt es die These, unser Problem bestehe darin, dass wir mit unsern Theorien und Technologien die natürliche Eigenzeit von Stoffen zu wenig berücksichtigen. Und auch die Nachhaltigkeitsdebatte lässt sich als eine Debatte über unsern Umgang mit Zeit interpretieren. Das Zurücknehmen der eigenen Geschwindigkeit ermöglicht einen vorausschauenden Blick in die Zukunft und hat – wie man glaubt – positive Folgen auch für die nach uns lebenden Generationen. Zentral wird hier das Konzept der Vorsorge: Ein behutsamer und risikoscheuer Umgang mit natürlichen und kulturellen Ressourcen sei angebracht.
Die Sommerakademie spezifiziert diese generellen Fragen im Hinblick auf unsern lebensweltlichen Umgang mit Ressourcen. Vier Fragekomplexe sollen dabei in Arbeitsgruppen selbstständig und exemplarisch diskutiert werden:
- Ökologie: Gibt es so etwas wie eine Eigenzeit von Stoffen und Systemen, die wir berücksichtigen müssen? (Konzept der Stoffgeschichten)
- Lebensstil: Müssen wir – und wenn ja, wie – unseren Umgang mit natürlichen, kulturellen und psychologischen Ressourcen ändern? (Konzept der Lebenskunst)
- Technologie: Inwiefern muss die Herstellung von Produkten, die unsern Alltag prägen (Handy, Autos usw.) auf die Nicht-Ersetzbarkeit von Stoffen Rücksicht nehmen? (Konzept des technischen Fortschrittes)
- Risiko: In welchem Verhältnis sollen vorsorgliche Überlegungen und Innovation stehen? (Konzept der Zukunftsethik)
Kleine Änderungen bezüglich dieser vier Fragen sind nicht ausgeschlossen.
Zusammenfassend: Leitthema der Sommerakademie ist die Frage, wie Menschen mit natürlichen Zeiten und Stoffgeschichten umgehen, wie sie diese kulturell und persönlich gestalten – welche eigenen Geschichten sie also inszenieren. Das ist ein ambitioniertes Projekt und verspricht ein interessantes Denklabor zu werden.
Vorausgesetzt wird die Bereitschaft, vorgängig einen Reader mit deutschen und englischen Texten zu lesen (ca. 120 Seiten), sowie sich mit zusätzlicher Bearbeitung eines Dossiers für eine der thematischen Arbeitsgruppen vorzubereiten.
Leitung:
Prof. Dr. Markus Huppenbauer (Ethik, Universität Zürich)
Prof. Dr. Armin Reller (Materialwissenschaften, Universität Augsburg)